Das Lager "Vulkan"


Der Ausbau der Stollen kam nur zögerlich voran. Deshalb wurden mehr als 700 Häftlinge, die im Dezember 1944 aus dem Sicherungslager Schirmeck im Elsass über Rastatt und Gaggenau nach Haslach kamen, in einem Seitenstollen eingepfercht.

Sie mussten auf strohbedeckten Holzplanken monatelang auf dem Boden vegetieren. Wegen der katastrophalen hygienischen Zustände und dem brutalen Verhalten der Wachleute wurde dieses Lager zum "Höllenlager Vulkan."

Eingang in einen der Bergstollen
Eingang in einen der Bergstollen

Ankunft im „Höllenlager Vulkan“

Am 4. Dezember 1944 kamen aus Rastatt nach 32-stündiger Fahrt ungefähr 700 Häftlinge am Bahnhof in Haslach an. Es waren vor allem Gefangene aus dem Sicherungslager "Schirmeck-Vorbruck" im Elsass, das am 21. November 1944 vor den französischen Truppen geräumt wurde. Die Häftlinge waren in die Festung nach Rastatt transportiert worden, wo bereits andere Gefangene untergebracht waren.

Es handelte sich um viele Elsässer, die sich weigerten, in die Wehrmacht oder die SS einzutreten. Andere waren im Widerstand organisiert. Sie halfen vor allem beim Überwechseln der Verweigerer vom Elsass in die westlichen Gebiete oder unterstützten die untergetauchten Landsleute. Oft waren es auch einfach Denunziationen, die zur Verhaftung führten. Eine sehr große Zahl Elsässer waren einfach als Geiseln für die Untergetauchten festgenommen und in die Lager gesteckt worden.
Die Gefangenen gehörten 13 Nationen an, darunter ein Amerikaner, etliche Polen und Holländer sowie viele Sowjetbürger. Die Mehrzahl waren Franzosen, unter ihnen sehr viele Elsässer.

Gebäude im Inneren der Vulkan-Stollen, das von den Häftlingen errichtet wurden. Aufnahme 1998
Gebäude im Inneren der Vulkan-Stollen, das von den Häftlingen errichtet wurden, Aufnahme 1998.

Nach ihrer Ankunft in Haslach mussten sie todmüde, hungrig, durstig, völlig durchnässt unter dem ständigen Gebrüll der Wachleute hinauf in die Stollen am Vulkan laufen. Dort stieß man sie mit dem Lauf der Gewehre in die unterirdischen Gänge, die sie für vier Monate buchstäblich verschlangen. Alle Häftlinge hatten den gleichen Gedanken: "Hier kommen wir nicht mehr lebend heraus." Für viele sollte sich diese Befürchtung bewahrheiten.


Unmenschliche Bedingungen

In einem eiskalten und vor Nässe triefenden Stollen waren die Häftlinge auf engstem Raum zusammengepfercht. Ihr Nacht- und Krankenlager bestand aus Holzbohlen, die man mit einer Lage Stroh bedeckte, das niemals erneuert wurde. Unter diesen "Schlafstätten" lief immer  Wasser hindurch, das auch die Exkremente der Häftlinge enthielt, da die Notdurft zunächst nur auf den Boden, später in ständig überlaufende Toilettenkübel verrichtet wurde. Zu den unmenschlichen, hygienischen Bedingungen kam die Auszehrung durch harte Arbeit. Für die geplante, unterirdische Rüstungsproduktion wurden Abwasserleitungen gelegt, Stollen ausgebaut und der Boden betoniert, Steine gebrochen und behauen.
Wer beim Bau der Straße eingesetzt war, empfand es als ein großes Glück, wenigstens zeitweise das Tageslicht zu erblicken und frische Luft zu atmen, was anderen vier Monate lang nicht möglich war.

Der Gesundheitszustand wurde immer erbärmlicher. Der fortwährende Hunger und der körperliche Zerfall zermürbte die Häftlinge und beraubte sie jeder menschlichen Würde.
Der Lagerleiter, SS-Sturmscharführer Kraus, ließ die Exkremente aus dem Krankenrevier regelmäßig über Kartoffelschalen und andere Küchenabfälle ausgießen. Dennoch wuschen die Häftlinge sie mit dreckigem Bodenwasser ab und aßen sie auf.

Mehrmals versuchten Häftlinge, die in der Nähe des Hundezwingers von Kraus arbeiteten, die reichlichen Essensreste aus dem Fressnapf auszukratzen. Strenge Strafe erwarteten jeweils diese Häftlinge. Kraus hetzte seinen abgerichteten Hund auf den ertappten Häftling, der fürchterlich zugerichtet wurde. Einen anderen Häftling sperrte man mit dem Hund ein und überließ ihn seinem Schicksal.

Eine unbeschreibliche Verlausung plagte die Häftlinge auf ihren morastigen Lagern. Jeden Abend und auch in der Nacht waren die Männer stundenlang damit beschäftigt, die Zahl der Läuse ein wenig einzudämmen. Wer dazu nicht in der Lage war, wurde buchstäblich vom Ungeziefer aufgefressen.


Nicht nur durch Verletzungen und Krankheiten starben viele Häftlinge, sondern auch durch gezielte Tötungen. Eine Verschwörung von vierzehn ukrainischen Männern endete nach Verrat mit deren Erschießung. Russische Häftlinge, die nach einer missglückten Flucht wieder ergriffen wurden, führte man in den Wald und erschoss sie. Andere Fluchtversuche endeten mit schweren Strafen, die mehrfach auch zum Tode führten.

Stollen Bild
An verschiedenen Stellen befanden sich elektrischen Birnen, unter denen die Häftlinge sich entlausten.

Wegen dieser Morde, vor allem aber wegen der unmenschlichen Zustände und den fortwährenden Misshandlungen nannten die Häftlinge das Lager "Höllenlager Vulkan."

 

Bis zum März 1945 wurden mehrere Häftlingstransporte in andere Lager durchgeführt. Am 28. März 1945 verlegte man die verbliebenen Häftlinge hinunter in die Stadt in das Lager "Sportplatz". Von dort marschierten nun auch sie den täglichen Weg hinauf zum Vulkan.

 

Ab dem 9. April 1945 wurden viele Häftlinge entlassen, sie mussten sich aber täglich bei der Polizei melden. Sie kamen bei Haslacher Handwerkern oder auf Bauernhöfen der Umgebung unter. Die Theologie-Studenten und Pfarrer wurden vom Haslacher Stadtpfarrer Vetter untergebracht. Eine unbekannte Zahl von Häftlingen wurde allerdings am 13.04.1945 in vier Kolonnen zu einem mehrtägigen Evakuierungsmarsch nach Sigmaringen gezwungen. Nicht alle kamen dort an.
Ungefähr 30 schwerkranke Häftlinge wurden im Krankenhaus und im katholischen Kindergarten von Ordensschwestern gepflegt und erlebten dort die Befreiung durch die französische Armee am 21. April 1945.